Vorwurf

Vorwurf
Vorwurf:
Bei diesem Substantiv handelt es sich um zwei verschiedene Bildungen: 1. Als »tadelnde Vorhaltung« ist es eine seit dem 16. Jh. bezeugte Bildung zu »vorwerfen« in dessen übertragener Bedeutung »vorbringen, geltend machen, tadelnd vorhalten« (vgl. werfen). 2. In der Bedeutung »Gegenstand künstlerischer Bearbeitung« ist es eine seit dem 14. Jh. bezeugte Lehnübersetzung (mhd. vür-, vorwurf) von lat. obiectum »Gegenstand« (vgl. das Fremdwort Objekt), das seinerseits griech. próblēma wiedergibt. Das Wort bezeichnete in der Sprache der Mystiker zunächst »das vor die Sinne Geworfene, das den Sinnen, dem Subjekt Gegenüberstehende«, später den »Gegenstand seelischer Anteilnahme« oder »wissenschaftlicher Betrachtung« und seit dem 18. Jh. »Stoff, Thema, Motiv der Literatur, Musik oder bildenden Kunst«.
werfen:
Das gemeingerm. Verb mhd. werfen, ahd. werfan, got. waírpan, engl. to warp »sich werfen, krümmen«, schwed. värpa »Eier legen« ist verwandt mit lit. ver̃pti »spinnen« (eigentlich »drehen«), russ. vérba »Weide« (nach den biegsamen, zum Flechten dienenden Zweigen benannt). Das Verb »werfen« bedeutet demnach eigentlich »drehen, winden«, woraus sich die Bedeutung »mit drehend geschwungenem Arm schleudern« entwickelt hat. Alle erwähnten Wörter gehören zu der unter Wurm dargestellten idg. Wortgruppe. Bildungen zu »werfen« sind Wurf und Würfel. Seit mhd. Zeit wird »werfen« auch im Sinne von »Junge zur Welt bringen« verwendet; beachte auch den reflexiven Gebrauch im Sinne von »uneben werden, sich verziehen«. – Präfixbildungen und Zusammensetzungen: abwerfen »herabfallen lassen; von sich werfen; ablegen; als Ertrag einbringen« (mhd. ab‹e›werfen); anwerfen »an etwas werfen; in Gang setzen« (mhd. an‹e›werfen, ahd. anawerfan), dazu Anwurf (in der Bedeutung »Schmähung« 2. Hälfte des 19. Jh.s); aufwerfen (mhd. ūfwerfen; im Sinne von »eine Frage aufwerfen« seit dem 16. Jh.); auswerfen »nach außen schleudern; irgendwohin werfen; (Schleim) absondern und ausspucken; produzieren; zur Ausgabe bestimmen« (mhd. ūz̧werfen, ahd. ūz̧werfan), dazu Auswurf (im 14. Jh. auz̧wurf); einwerfen »in etwas werfen, fallen lassen; durch einen Wurf zertrümmern; einwenden« (mhd. īnwerfen, ahd. inwerfan), dazu Einwurf (in der Bedeutung »Einwand« frühnhd.); entwerfen (s. d.); überwerfen »über etwas werfen, lose umhängen« (mhd. überwerfen, ahd. ubarwerfan; »sich mit jemandem überwerfen« im Sinne von »mit jemandem in Streit geraten« seit dem 16. Jh., eigentlich »sich mit jemandem am Boden rollen«, dazu Überwurf (in der Bedeutung »Kleidungsstück« seit dem 17. Jh.); unterwerfen »in seine Gewalt, unter seine Herrschaft bringen; sich in jemandes Herrschaft stellen; sich beugen, sich fügen; sich unterziehen« (mhd. underwerfen, ahd. untarwerfan), dazu mhd. underwurf »Unterwerfung«, das dem Adjektiv unterwürfig »knechtisch, hündisch ergeben, devot« (15. Jh.) zugrunde liegt; verwerfen »als unbrauchbar, nicht gut o. ä. aufgeben; als unberechtigt ablehnen; sich werfen, sich verziehen« (mhd. verwerfen, ahd. farwerfan), dazu verwerflich »schlecht, unmoralisch und daher tadelnswert« (17. Jh.) und Verwerfung (mhd. verwerfunge); vorwerfen »nach vorne werfen; vor jemanden hinwerfen; tadelnd vor Augen führen« (mhd. vürwerfen, ahd. furiwerfan; in der Bedeutung »tadeln« seit dem 15. Jh.), dazu Vorwurf (mhd. vürwurf »Gegenstand, Objekt«; in der Bedeutung »Tadel« seit dem 16. Jh.).

Das Herkunftswörterbuch . 2014.

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